Kapitel 2
KI zur frühzeitigen Diagnostik und als Entscheidungshilfe bei klinischen Fragestellungen
Einem kürzlich erschienenen Bericht zufolge sind Behandlungsfehler die dritthäufigste Todesursache in den USA [2]. Die meisten Fehler sind diagnostischer Natur, wozu auch Fehldiagnosen und Diagnosen zählen, die den Patienten nie gestellt wurden. Die meisten Menschen in den Vereinigten Staaten erhalten im Laufe ihres Lebens mindestens eine solche Fehldiagnose, wobei 10% der Fälle sogar tödlich enden [2] [3].
Mit KI lassen sich die Informationsverarbeitung und die Entscheidungsfindung effizienter und weniger fehleranfällig gestalten. Die folgenden Beispiele zeigen, wie KI-basierte Geräte Gesundheitsdienstleistern dabei helfen können, bessere Diagnosen anhand von medizinischen Bildaufnahmen, physiologischen Signalen oder Gesundheitsdaten von Patienten zu erstellen.
Eine KI-basierte Echtzeitdarstellung des Herzens und seiner elektrischen Aktivität hilft Ärzten, chirurgische Eingriffe bei Vorhofflimmern genau zu bestimmen. (Bildquelle: Corify Care)
Problem
Fast einer von drei über 65-Jährigen stürzt jedes Jahr: Stürze sind damit die Hauptursache für tödliche und nicht tödliche Verletzungen in dieser Altersgruppe.
Lösung
Kinesis Health Technologies hat ein Gerät namens QTUG™ (Quantitative Timed Up and Go) entwickelt, das ein objektives, quantitatives Untersuchungsverfahren für Sturzrisiko, Gebrechlichkeit und Mobilitätseinschränkungen mithilfe drahtloser Trägheitssensoren am Bein des Patienten darstellt. Das Endprodukt verwendet KI-basierte Modelle, die mit MATLAB entwickelt wurden, um eine Schätzung des Sturzrisikos (Fall Risk Estimate, FRE) und einen Gebrechlichkeitsindex (Frailty Index, FI) zu berechnen.
- Bei einem QTUG-Test werden dem Patienten zwei drahtlose Trägheitssensoren jeweils unterhalb der Knie angebracht. Jeder Sensor verfügt über einen Beschleunigungsmesser und ein Gyroskop.
- Um das Hochfrequenzrauschen in den von diesen Sensoren erfassten Daten zu entfernen, verwendeten sie digitale Filter, die sie mithilfe des Filter Designers der Signal Processing Toolbox™ entwickelten.
- Das Team verwendete die Statistics and Machine Learning Toolbox™, um die Untergruppe von Merkmalen mit dem höchsten Vorhersagewert auszuwählen und ein in MATLAB implementiertes regularisiertes diskriminantes Klassifizierungsmodell zu validieren.
- Das Team trainierte seine Modelle anhand von Daten aus klinischen Studien, die anhand von Tausenden von Patienten erhoben wurden, und bewertete die Ergebnisse des kombinierten Klassifikators.
- Um die Klassifizierungskoeffizienten auf Basis eines neuen Referenzdatensatzes zu aktualisieren, exportieren die Ingenieure diese aus MATLAB in eine Ressourcendatei, die anschließend in ihren Software-Build integriert wird.
Ergebnisse
Bis heute haben Klinikärzte in acht Ländern mehr als 20.000 Patienten mit dem QTUG untersucht. Sobald neue Ergebnisse vorliegen, arbeitet das Team an der Verbesserung des Referenzdatensatzes. Das Team schätzt, dass die Entwicklungszeit dreimal kürzer war als bei der Entwicklung in Java®. Hierdurch verkürzte sich die Zeit bis zur Markteinführung und zur Registrierung als Gerät der Klasse I bei der US-amerikanischen FDA, der kanadischen Gesundheitsbehörde und der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA).
Problem
Eine verbreitete Herzrhythmusstörung ist das Vorhofflimmern (AFib). Wenn Herzrhythmusstörungen mit Medikamenten oder durch Schocktherapie nicht behoben werden können, benötigen Patienten möglicherweise eine invasive chirurgische Ablation, um die betroffenen elektrischen Signale zu unterbrechen und den Herzschlag wieder zu stabilisieren. Die Erfolgsquote dieses Verfahrens liegt bei nur 50%, da es für die Ärzte eine Herausforderung darstellt, das richtige Herzgewebe entsprechend zu stimulieren.
Lösung
Corify Care hat ein Gerät namens Acorys® entwickelt, das auf Grundlage von nicht invasiven Signalmessungen an Brust und Rücken des Patienten eine Karte des Herzens und seiner elektrischen Aktivität nahezu in Echtzeit erstellt. Wenn man die Geometrie des Brustkorbs kennt und weiß, welche elektrischen Signale von welchem Teil des Brustkorbs kommen, kann man das Herz anhand der Rückwärtsanalyse rekonstruieren.
Das Corify-Team vertraute beim Machine Learning und bei der Signalverarbeitung auf MATLAB, um das Rauschen herauszufiltern und sauberere Daten zu erhalten, die dann durch die weitere Signalverarbeitung zur genauen Rekonstruktion der Herztätigkeit genutzt wurden.
Sie trainierten ihre Rekonstruktionsalgorithmen sowohl mit Daten von Patienten als auch mit mathematischen Modellen, sodass Acorys die elektrischen Signale jedes Patienten erfassen und in eine Karte des Herzens umwandeln kann.
Ergebnisse
Das Team arbeitet daran, die CE-Kennzeichnung der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und die Zulassung durch die US-amerikanische Behörde für Lebensmittel- und Arzneimittelsicherheit (FDA) zu erhalten. Da Acorys einen detaillierten, nicht invasiven Blick auf das Herz und seine elektrische Aktivität ermöglicht, hat es das Potenzial, unnötige Ablationsverfahren zu verhindern und damit Patienten und dem Gesundheitssystem wertvolle Zeit und Geld zu sparen.
Problem
Katarakt-Patienten sehen aufgrund einer Trübung der Augenlinse nur verschwommen. Aus diesem Grund müssen sich Millionen von Menschen einer Kataraktoperation unterziehen, bei der die eigene Linse entfernt und durch eine künstliche Intraokularlinse (IOL) ersetzt wird. Für den behandelnden Augenarzt ist es schwierig, die für ein optimales postoperatives Ergebnis erforderliche Stärke der Kunstlinse genau vorherzusagen.
Lösung
Der Augenarzt Dr. Warren Hill arbeitete mit dem Team von MathWorks zusammen, um eine neuartige Radialbasisfunktion (RBF) zur Vorhersage der für die Intraokularlinse berechneten optischen Stärke zu entwickeln.
- Die RBF wurde mit MATLAB entwickelt, um ein KI-basiertes Modell mit detaillierten Messungen von Tausenden von Patientenaugen vor der Operation mithilfe eines Lenstar-Biometers zu trainieren.
- Dabei umfassten die Trainingsdaten auch die beobachteten postoperativen Ergebnisse.
- Das Team exportierte das Modell in Simulink, eine grafische Umgebung zum Entwickeln, Simulieren und Testen von Systemen, und generierte anschließend Code aus dem Modell, um ihn auf dem Lenstar-Gerät einzusetzen.
Der Rechner wird als Hill-RBF-Rechner bezeichnet. Eine Online-Version dieses Rechners wurde ebenfalls zu diesem Zeitpunkt veröffentlicht, sodass jeder Augenarzt auf der ganzen Welt darauf zugreifen konnte.
Ergebnisse
Der 2016 eingeführte Rechner wurde rasch von der weltweiten augenärztlichen Gemeinschaft angenommen. Mithilfe aktualisierter und überarbeiteter Versionen des Rechners, die einen viel größeren Datensatz einbeziehen, verzeichnen Chirurgen nun Ergebnisse mit einer 90-prozentigen Genauigkeit von ±0,50 D, verglichen mit der Erfolgsquote von 78% bei den üblichen klassischen und älteren Methoden. Um das in die richtige Relation zu setzen: Bei etwa 28 Millionen Operationen, die jedes Jahr weltweit durchgeführt werden, würde eine Verbesserung der Ergebnisse um 12% zu 3,4 Millionen zusätzlichen erfolgreichen Operationen führen.
Referenzen
[2] Makary, Martin A, und Michael Daniel. „Medical Error – the Third Leading Cause of Death in the US.“ BMJ, 3. Mai 2016. https://doi.org/10.1136/bmj.i2139.
[3] Balogh, Erin, Bryan T. Miller, und John Ball. Improving Diagnosis in Health Care. Washington, D.C.: The National Academies Press, 2015.
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