Toyota baut virtuelles Testgelände für ADAS

Erstellen digitaler Assets für realistische virtuelle Tests


Ein eleganter, weißer Toyota® SUV-Prototyp glänzte am technischen Hauptsitz des Autoherstellers im japanischen Aichi, bereit für eine anspruchsvolle Testfahrt. Ingenieure installierten Ausrüstung, damit ein Roboter als Fahrer die Fahrbarkeit und Leistung des Autos – einschließlich der fortschrittlichen Fahrerassistenzsysteme (ADAS) – auf kurvenreichen Straßen präzise bewerten konnte.

Nur waren die kurvenreichen Straßen dieser Testfahrt tatsächlich eine hochentwickelte Vehicle-in-the-Loop-Simulation (VILS), die zur Bewertung von ADAS und anderen dynamischen Funktionen entwickelt wurde. Ein großer externer Bildschirm zeigte 3D-Szenen, während ein Echtzeit-Fahrsimulator passende Bewegungen, Vibrationen und Geräusche erzeugte. Sensoren, darunter Lidar und Kameras, lieferten Feedback in Echtzeit.

Toyotas VILS, der Advanced Driver Assistance Systems Real Car Simulator (ADAS-RCS), verbindet reale und virtuelle Welten über einen Fahrgestellprüfstand mit einem Co-Simulationsblock. Die Roboter fahren stundenlang und überprüfen wichtige Leistungsindikatoren auf mögliche Schwachstellen. Dann legt künstliche Intelligenz auf Grundlage der Ergebnisse Ziele fest, um diese Schwächen anzugehen.

Ein weißer Toyota-SUV auf einem Leistungsprüfstand mit einem großen Bildschirm vor der Windschutzscheibe. Die Vorderansicht des Aufbaus befindet sich auf der linken Seite, die Rückansicht auf der rechten Seite.

Toyotas VILS, das ADAS-RCS. (Bildquelle: Toyota)

„Das Hauptmerkmal des Simulators ist die Fähigkeit, multifunktionale Bewertungen in einem Durchgang durchzuführen“, sagt Daiki Miyata, ein Entwicklungsingenieur für Fahrzeugleistung in der Model-Based Development X-in-the-Loop Simulations Group (MBD XILS) bei Toyota, der ebenfalls in der Model-Based Design Platform Group tätig ist. Sein Team arbeitet daran, den Fahrzeugentwicklungsprozess durch gezielte Simulationen zu optimieren. Ziel ist eine schlanke Fahrzeugentwicklung.

Die realistischen Umgebungen im ADAS-RCS von Toyota ermöglichen Tests auf komplexen Straßenoberflächen, die auf den physischen Strecken des Autoherstellers nicht verfügbar sind. Die Entwicklung von 3D-Straßendatenmodellen erfordert jedoch einen erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand. Das Team nutzte MATLAB® und RoadRunner, um reale Fahrbedingungen außerhalb des Firmengeländes nachzubilden.

Ein Screenshot der simulierten Straßenbedingungen in RoadRunner.

Testen von Straßenbedingungen in RoadRunner mit MATLAB. (Bildquelle: Toyota)

„Wir haben uns für RoadRunner entschieden, weil wir von seiner Fähigkeit beeindruckt waren, virtuelle 3D-Szenen zu erstellen, verschiedene Kartendaten aus unterschiedlichen Umgebungen einzulesen und die Kartendaten durch die Integration mit MATLAB zu analysieren“, sagt Miyata. „Dass man in RoadRunner intuitiv Anpassungen vornehmen kann, war ebenfalls ein entscheidender Faktor.“

Das VILS-Team von Toyota konzentriert sich hauptsächlich auf die adaptive Geschwindigkeitsregelung, aber die Ingenieure planen auch, den Simulator für Spurhalteassistenz, Spurwechselassistenz, Pre-Collision-Sicherheitssysteme und neue fortschrittliche Sicherheitsfunktionen zu nutzen.

„Das ADAS-RCS befindet sich erst seit Kurzem in der Betriebsphase. Wir sehen viele Chancen in der Zukunft“, sagt Miyata.

Risikoreiche Straßenverhältnisse frühzeitig einbeziehen

In der Vergangenheit verbrachten geübte Fahrer bei Toyota, sogenannte Meister, viele Stunden damit, die Fahrzeugleistung auf Teststrecken in den Einrichtungen des Automobilherstellers in Japan zu bewerten. Aufgrund von Designvorgaben war es erforderlich, Worst-Case-Szenarien erst spät im Automobilentwicklungsprozess zu testen. Das Wetter konnte die Testbedingungen vor Ort beeinträchtigen und Wiederholungen erforderlich machen, die den engen Zeitplan zusätzlich belasteten.

Die Automobilentwicklung ist mit dem Aufkommen von ADAS und Software-Defined Vehicles immer komplexer geworden. Bei Toyota führen Ingenieure Straßentests für ADAS bereits frühzeitig durch, indem sie Bedingungen nachbilden, die die Reaktionen, das Urteilsvermögen und die Fahrzeugführung der Fahrer beeinflussen, wie beispielsweise Spurwechsel im dichten Verkehr oder kurvenreiche Bergstraßen.

„Faktoren wie Wetter, Fußgänger und bewegliche Objekte können nicht durch vorab festgelegte Szenarien erfasst werden“, erklärt Miyata. „Das schnelle Auffinden und Überwinden solcher Grenzfallszenarien ist entscheidend, um die Fahrzeugsicherheit zu erhöhen.“

"Mithilfe von MATLAB und seinen Toolboxes konnte ich mich auf das konzentrieren, was ich wirklich umsetzen wollte."

Ein Architekturdiagramm von Toyotas VILS, dem ADAS-RCS. Es gibt vier Phasen: Virtuelle Umgebung, Sensor-Fahrzeugmodell, Rollenprüfstand und KI-Evaluierung, jeweils dargestellt mit Symbolen für die Entwicklung und Prüfung von ADAS.

Die Architektur des ADAS-RCS. (Bildquelle: Toyota)

Die größten technischen Herausforderungen stellten verdeckte Sicht und unübersichtliche Kurven dar. Bei herkömmlichen manuellen Prozessen zur Szenenerstellung war die Erstellung von 3D-Straßen mühsam und erforderte mehr als sechs Monate pro Strecke. Außerdem würden diese Routen in anderen Simulatoren bei Toyota nicht funktionieren, einschließlich Model-in-the-Loop- und Software-in-the-Loop-Simulatoren.

„Toyota hat verschiedene Simulatoren, daher würde die Vorbereitung von Szenen, die nicht für jeden Typ wiederverwendet werden können, enorme Kosten verursachen“, sagt Miyata. Das Team benötigte einen schnelleren und effizienteren Ansatz.

Zu Beginn seiner Tätigkeit als Fahrzeugentwicklungsingenieur bei Toyota war Miyata für die Verbesserung des Fahrzeugkomforts verantwortlich. Er lernte MATLAB kennen, während er eine Methode zur Prüfung von Motorgeräuschen entwickelte. „Ich vertiefte mein Verständnis der Signalverarbeitung“, erinnerte er sich. „Dank MATLAB und seinen Toolboxes konnte ich mich auf das konzentrieren, was ich wirklich tun wollte.“

Er wählte MATLAB und RoadRunner aus, um 3D-Fahrstrecken für den Simulationsprüfstand der MBD XILS Group zu generieren. Das Team begann damit, für die Straßengenerierungsphase Breiten-, Längen- und Höhendaten aus einem ZENRIN® DataCom-Kartensegment mit Standardauflösung zu ziehen.

Miyatas Erfahrung mit MATLAB ermöglichte es ihm, eine Methode zu entwickeln, um die mühsame Datenvorverarbeitung zu automatisieren, die für die Straßengenerierung erforderlich ist – einschließlich Punktglättung und Kurvenanpassung, um Straßenböschungen zu erzeugen. Anschließend konvertierte Miyata die Kartendaten mithilfe der Driving Scenario Designer-App in der Automated Driving Toolbox™ in das OpenDRIVE®-Format. 

„Die Driving Scenario Designer-App war praktisch und ermöglichte es mir, das Gewünschte schneller umzusetzen, als ich erwartet hatte“, sagt er.

Erstellen einer natürlichen Umgebung

Nachdem sie Straßen erstellt hatten, nutzten die Ingenieure RoadRunner, um die Umgebung zu gestalten. Zu diesem Zeitpunkt stieß das Team auf Probleme mit Unebenheiten. Auf den ersten Blick schien die Straße im interaktiven Editor glatt, aber als Miyata im Simulator darüber fuhr, hoppelte das Fahrzeug, als wäre es auf einer holprigen Straße. RoadRunner erstellte Straßen basierend auf der OpenDRIVE-Datei, aber die Straßen wiesen aufgrund nicht durchgehender Straßenhöhen an den Verbindungsstellen Unebenheiten im Zentimeterbereich auf.

Miyata verwendete eine Polynomapproximation für Höheninformationen bei der Erstellung von Straßen in MATLAB, aber die Nutzung von RoadRunner Scene Builder verhinderte ähnliche Ruckler. „Jetzt können wir Straßenmodelle effizienter und mit größerer Skalierbarkeit erzeugen“, sagt er.

Ein weiteres Problem trat auf, als Miyata dem Simulator Höhendaten hinzufügte und mit seinem Kollegen eine Probefahrt machte. Die auf dem Monitor sichtbare Straße schien in einem hellblauen Himmel zu schweben, der mit zarten Zirruswolken durchzogen war.

„Ohne RoadRunner hätte die Erstellung der virtuellen Strecken enorm viel Zeit und Mühe gekostet.“

Zwei simulierte Straßen in RoadRunner. Auf der linken Seite treten Neigungsprobleme auf, und auf der rechten Seite wird eine polynomische Näherung für die Straßenhöhe verwendet.

Straßenglättung mithilfe polynomieller Approximation für das Höhenprofil von Straßen. (Bildquelle: Toyota)

Es stellte sich heraus, dass an bestimmten Stellen Höhendaten fehlten. Die digitalen Höhendaten stammen von der japanischen Behörde für Geoinformationen, die landesweite Vermessungs- und Kartierungsarbeiten durchführt. Ein von ihr verwendetes Drittanbieter-Tool zeigte jedoch im ausgewählten Kartensegment eine Höhe von -9.999 am Fluss an (entsprechend dem US-Zahlenformat, also minus neuntausendneunhundertneunundneunzig). Miyata wählte MATLAB für die Lösung.

Sein Team erstellte ein Tool, das Höhen- und Bilddaten kombiniert und sie in ein mosaikartiges GeoTIFF-Format für RoadRunner konvertiert. Mit den neuen Höhendaten konzentrierte sich Miyata auf einen bestimmten Kartenbereich in der grafischen Benutzeroberfläche von RoadRunner. Er zog Bilder mittels Drag-and-Drop auf die Bodenoberfläche, überprüfte die Positionierung und fügte dann die OpenDRIVE-Straßendaten hinzu. Mit nur wenigen Klicks fügte er eine gepunktete Linie hinzu, um der Straße zwei Fahrspuren zu geben, nahm kleinere Korrekturen vor und fügte die Höhenangabe ein.

„Die RoadRunner-Grafik-Benutzeroberfläche ist intuitiv“, sagt Miyata. „Es ist einfach, Anpassungen für knifflige Situationen wie diese vorzunehmen.“

Der letzte Schritt bestand darin, die Straßenerstellung durch eine Video-Wiedergabe in RoadRunner Scenario zu überprüfen. Ein Knopf bot eine drohnenartige 360-Grad-Ansicht von oben auf die Umgebung des Fahrzeugs, und ein anderer ermöglichte dem Team, die Straße aus der Perspektive des Fahrers zu sehen. Diesmal hatte das ADAS-RCS Böschungen und hügelige Bergszenen präzise erfasst. Kein Schweben mehr. Durch das Hinzufügen von Schattierungen und Details zur hügeligen Landschaft wurde eine realistischere Umgebung geschaffen. 

„Ohne RoadRunner hätte die Erstellung der virtuellen Strecken enorm viel Zeit und Mühe gekostet“, sagt Miyata. Miyata schätzt, dass sein Team mindestens sechs Monate benötigen würde, um ein ähnliches Fahrszenario zu erstellen.

Skalierung der schlanken Fahrzeugentwicklung

Neue 3D-Routen, für deren Erstellung Miyatas Team früher mehr als einen Tag benötigte, können jetzt in weniger als 30 Minuten implementiert werden. RoadRunner steigerte die Gesamtproduktivität des Teams. 

„Die Möglichkeit, Ausgabeformate wie OpenDRIVE und OpenSceneGraph bereitzustellen, die für verschiedene Simulatoren geeignet sind, senkt die Kosten für die Szenengenerierung erheblich“, erklärt Miyata. „Das ist ein großer Vorteil.“

Als Nächstes möchte seine Gruppe ihren VILS-Prozess weiter automatisieren und optimieren. Sie planen außerdem, mit dem Entwicklungsteam für die Massenproduktion zusammenzuarbeiten, um ihm die Vorteile der Simulation zugänglich zu machen. Miyata ist davon überzeugt, dass es entscheidend ist, dass auch andere die Technologie nutzen, Probleme erkennen und Verbesserungen implementieren.

„Wir haben erhebliche Fortschritte erzielt und es ist uns gelungen, mithilfe des RoadRunner Scenario den realen Verkehrsfluss einzubeziehen.“

Zwei Screenshots zeigen eine simulierte Reproduktion der Umgebung rund um den Toyota-Hauptsitz, wobei die Gebäude durch weiße 3D-Blöcke dargestellt werden.

Nachbildung der Umgebung rund um Toyotas Hauptquartier. (Bildquelle: Toyota)

Während seiner Präsentation auf der MATLAB Expo Japan sprach Miyata über die Skalierung der Entwicklung. Er hob hervor, wie MATLAB Live-Skripte, App Designer und MATLAB Compiler™ dabei helfen, Code für mehrere Anwender bereitzustellen, um Daten aus geografischen Informationssystemen zu verarbeiten. Die Verwendung von Git™ ermögliche Versionsverwaltung und Anpassung entsprechend den Erwartungen des Benutzers. Live-Skripte, fuhr er fort, ermöglichten es, leicht verständliche Handbücher in Umgebungen wie JupyterLab zu schreiben und eine benutzerfreundliche App-Bereitstellung zu ermöglichen.

Seit der Expo hat sein Team die Funktionalität des Simulators unter Einsatz der kostenlosen editierbaren Weltkarte OpenStreetMap® erweitert, um einfache Gebäude zu reproduzieren, die nach den rechteckigen Sojabohnenquarkblöcken als „Tofu-Assets“ bezeichnet werden. Toyota verfügt außerdem über eine Abteilung, die auf die Erstellung von Präzisionsanlagen spezialisiert ist. Miyata sagt, dass die ADAS-RCS-Initiative sie dazu inspiriert habe, neue Wege zur Nutzung dieser Ressourcen zu untersuchen.

Die frühzeitige Auswertung des Fahrens auf öffentlichen Straßen mit ihrem ADAS-RCS befindet sich noch in der Verifizierungsphase, aber Miyata und seine Kollegen erwarten, dass sich dadurch die für Testfahrten benötigte Zeit letztendlich um etwa 70 % verkürzen wird.

Die Zukunftspläne der Gruppe beinhalten die Nutzung von Punktwolkendaten aus dem Feld, um Gebäudeanlagen mithilfe von KI automatisch in RoadRunner zu klassifizieren und zu platzieren. Auch Mixed-Reality-Technologie wird erforscht. 

„Darüber hinaus haben wir erhebliche Fortschritte gemacht und es geschafft, mithilfe des RoadRunner Scenario realen Verkehrsfluss zu integrieren“, sagt Miyata. „Man kann ADAS nicht gründlich testen, ohne eine realistische Simulationsumgebung.“

Das Team hat viele herausfordernde Fälle gelöst, während es digitale Assets für die Simulationsumgebung erstellte. Leistungsfähige und benutzerfreundliche Tools waren unerlässlich.

„Wenn wir digitale Ressourcen effektiv nutzen können, erwarten wir, dass ADAS-RCS und XILS ein höheres Niveau erreichen“, fährt er fort. „Die Bereitstellung als Toolchain wird möglich und verbessert den gesamten Fahrzeugentwicklungsprozess.“


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