Preceyes beschleunigt die Entwicklung des weltweit ersten Roboters für Augenoperationen mithilfe von Model-Based Design

„MATLAB und Simulink lieferten eine einzige Plattform, die unseren gesamten Workflow, alle Komponenten und Protokolle, die wir für unsere Robotiksystem benötigten, unterstützt hat. Damit konnten wir schnell ein sicheres Echtzeitgerät entwickeln, das für klinische Untersuchungen bereitsteht.”

Die Herausforderung

Entwicklung eines Echtzeit-Regelungssystems für robotergestützte chirurgische Eingriffe am menschlichen Auge

Die Lösung

Einsatz von Model-Based Design mit MATLAB und Simulink zur Modellierung und Simulation des Regelungssystems und dessen Bereitstellung für ein Echtzeitziel mit Simulink Coder und Simulink Real-Time

Die Ergebnisse

  • Von einem Ingenieur entwickelter Core-Controller
  • Patientensicherheit gewährleistet
  • Roadmap zur Industrialisierung aufgestellt

 

Das Operationssystem PRECEYES

Das Operationssystem PRECEYES. Das System manipuliert das Instrument, das in das Auge eingeführt und mithilfe des Bewegungscontrollers auf der linken Seite gesteuert wird; der Chirurg operiert mit der anderen Hand manuell. Bild: mit freundlicher Genehmigung von Preceyes.

Vitreoretinale Operationen, die im Inneren des Auges durchgeführt werden, erfordern ein hohes Maß an Präzision und Stabilität, das für die menschliche Hand nur schwer zu erreichen ist. Die starke Zunahme von vitreoretinalen Beschwerden, die eng mit der Zunahme einer alternden Bevölkerung zusammenhängt, erfordert die Entwicklung neuer Behandlungen, die ein noch höheres Maß an Präzision aufweisen müssen. Bei einer möglichen neuen Behandlung von Netzhautvenenverschlüssen müsste man beispielsweise eine Nadel in eine Vene einführen, die so dünn wie ein menschliches Haar ist, und sie etwa 10 Minuten lang stillhalten – eine Aufgabe, die selbst für die erfahrensten Chirurgen praktisch unmöglich wäre.

Chirurgen am John Radcliffe Hospital in Oxford, England, haben 2016 die weltweit erste robotergestützte vitreoretinale Operation durchgeführt. Zum Einsatz kam das PRECEYES Surgical System, ein Roboterassistent, der die Bewegungen des Chirurgen skaliert und das Zittern der Hand filtert, um eine noch nie dagewesene Stabilität und Präzision zu ermöglichen.

Vor Kurzem hat Preceyes mit klinischen Studien am Rotterdam Eye Hospital begonnen. Sie integrierten ihren neu entwickelten Abstandssensor erfolgreich in den Roboter und validierten die Roboter-Sensor-Kombination. Der Sensor misst den Abstand eines Instruments von der Netzhaut im Auge. Dieser Ansatz bietet sensorgestützte Sicherheit und Führung und verspricht somit erhebliche Sicherheits- und Performance-Verbesserungen bei komplexen Netzhautoperationen. Darüber hinaus wird diese Methode eine wertvolle Datenquelle für Schulungszwecke und Evaluierungen darstellen. Die Ingenieure von Preceyes entwickelten und implementierten das Roboter-Regelungssystem mithilfe von Model-Based Design sowie MATLAB®, Simulink® und Simulink Real-Time™.

„Als junges Unternehmen war es für uns wichtig, schnell eine erste Version zu entwickeln, ohne dabei die Sicherheit zu gefährden, um klinisches Feedback zu erhalten und Erkenntnisse zu gewinnen, bevor wir ein endgültiges Produkt entwickeln“, erläutert Maarten Beelen, Mitbegründer und Integrationsmanager bei Preceyes. „Mit Simulink und Simulink Real-Time konnten wir unseren Controller innerhalb kürzester Zeit entwickeln, verifizieren, auf einem Echtzeitsystem implementieren und mit Anwendern testen. Ein klassischer Softwareentwicklungs-Workflow hätte unsere Zeitspanne wahrscheinlich erheblich verlängert.“

Die Herausforderung

Preceyes hat sich für sein chirurgisches System ehrgeizige Ziele gesetzt. Die erhöhte Präzision würde nicht nur neue Verfahren ermöglichen, sondern auch bestehende Verfahren verbessern, wie z. B. das Ablösen von Membranen von der Netzhaut und den Ersatz der Augenflüssigkeit. Bei der Umsetzung dieser Ziele hatte das Preceyes-Team vor allem zwei Prioritäten: die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten und ein funktionierendes klinisches Untersuchungsgerät so effizient wie möglich zu produzieren.

Zur Erreichung ihrer Konstruktionsziele innerhalb des Entwicklungszeitplans und der Sicherheitsvorgaben mussten die Ingenieure von Preceyes unterschiedliche Modellierungs- und Simulationstechnologien nutzen, die bereits in anderen sicherheitskritischen Anwendungen in verschiedenen Branchen eingesetzt wurden. Konkret mussten sie eine komplexe Regelungslogik modellieren und anschließend eine Funktionsprüfung ihres Entwurfs durchführen; dies geschah zunächst durch Simulation und dann durch Echtzeittests am tatsächlichen Roboter. Zusätzlich zur Echtzeit-Regelungssoftware musste das Team eine Nicht-Echtzeit-Anwendung mit einer auf einem PC laufenden Schnittstelle entwickeln, mit der die Ärzte sämtliche Einstellungen vor und während des chirurgischen Eingriffs vornehmen konnten. 

Die Lösung

Preceyes setzte Model-Based Design mit MATLAB, Simulink und Simulink Real-Time ein, um die Entwicklung eines Echtzeit-Regelungssystems für sein chirurgisches System PRECEYES zu beschleunigen.

Während der Konstruktion eines Basismodells der Roboterkinematik und -dynamik führten die Preceyes-Ingenieure mehrere Systemidentifikationstests durch, bei denen sie Simulink Real-Time zur Erzeugung von Anregungssignalen für die elf Elektromotoren des Roboters verwendeten und anschließend die Reaktionen in jedem der elf Freiheitsgrade maßen.

Nach der Analyse und Anpassung der Messdaten in MATLAB entwickelten sie anhand der Ergebnisse ein Simulink-Regelstreckenmodell, das die Bewegung des Roboters als Reaktion auf die angelegten Kräfte beschreibt.

Das Team entwickelte ein Regelungsmodell, das Eingaben vom Joystick des Systems und von etwa 60 Sensoren – darunter optische und magnetische Encoder – verarbeitet und die notwendigen Motorsignale erzeugt, um die Werkzeugspitze als Reaktion auf die Bewegungen des Chirurgen zu bewegen. In dieses Modell wurden EtherCAT-Blöcke aus Simulink Real-Time integriert, um eine Schnittstelle zu den Knoten im EtherCAT-Netzwerk des Roboters herzustellen.

Mithilfe von Stateflow® modellierte das Team die sequenzielle Logik für die verschiedenen Betriebsmodi des Systems, wie beispielsweise Kalibrierung, Initialisierung und Selbstverifikation.

Nach der Verifikation der grundlegenden Funktionsweise des Controllers und der Regelungslogik durch Simulation generierten die Ingenieure mithilfe von Simulink Coder™ Code aus ihrem Modell und setzten den kompilierten Code auf einem Echtzeit-Zielcomputer mit Simulink Real-Time ein. Dieser Computer wurde über das EtherCAT-Netzwerk mit den Sensoren und Motoren des Roboters verbunden.

Um die Regelung zu optimieren und zu verbessern, nahm das Team Verbesserungen am Modell vor, überprüfte sie in der Simulation und testete sie dann mit dem Setup von Simulink Real-Time am tatsächlichen Roboter.

Die Ingenieure verwendeten das MATLAB UI-Entwicklungstool GUIDE, um die Touchscreen-Anwendungssoftware zu entwickeln, mit der Chirurgen während des Eingriffs chirurgische Einstellungen ändern und visuelles und akustisches Feedback erhalten.

Die Sicherheit und Wirksamkeit des PRECEYES Surgical System wurde bei 14 chirurgischen Eingriffen nachgewiesen. Weitere Demonstrationen sind in führenden chirurgischen Einrichtungen geplant, darunter eine zweijährige Zusammenarbeit mit dem Rotterdam Eye Hospital. Das Unternehmen arbeitet außerdem an der CE-Registrierung und an der nächsten Generation für die Serienproduktion.

Das chirurgische System PRECEYES vor der Operation im Rotterdam Eye Hospital.

Das chirurgische System PRECEYES vor der Operation im Rotterdam Eye Hospital. Bild: mit freundlicher Genehmigung von Preceyes.

Die Ergebnisse

  • Von einem Ingenieur entwickelter Core-Controller. „Mit MATLAB und Simulink musste ich nicht manuell eine Low-Level-Architektur für den Regler programmieren. Da ich der einzige Softwareentwickler war, der das erste Release entwickelte, war dies ein großer Vorteil – tatsächlich habe ich meine Zweifel, ob ein einziger Entwickler ansonsten die ganze Arbeit hätte erledigen können“, so Beelen. „Die Software wurde eingehend von Consultants geprüft, was sich aufgrund der Lesbarkeit, der Nachvollziehbarkeit der Anforderungen und der Funktionen zur Berichterstellung in Simulink-Produkten recht einfach gestaltete.“
  • Patientensicherheit gewährleistet. „Ich habe immer gesagt, dass ich kein Gerät auf den Markt bringe, von dem ich nicht überzeugt bin, dass ich es bei mir selbst oder bei einem Angehörigen einsetzen würde", betont Beelen. „Mit den Sicherheitsmechanismen, die wir in Simulink implementiert hatten, war ich zu 100 % sicher, dass es keine Probleme mit der Software geben würde.“
  • Roadmap zum industriellen Einsatz aufgestellt. „Für die Entwicklung der industrialisierten Version unseres Systems werden wir wertvolle Zeit einsparen, indem wir den Code aus unserem bestehenden Controller-Modell generieren und mithilfe des Embedded Coder auf einen Embedded-Prozessor zielen“, erläutert Beelen. „Wir werden einen formaleren Entwicklungs- und Test-Workflow verfolgen, mit verbesserter Revisionskontrolle und einem größeren Entwicklungsteam, das die modellbasierten Test-, Verifikations- und Validierungsfunktionen in Simulink nutzt.“