Einführung in die Motorsteuerung
Unter der Motorsteuerung versteht man den Prozess der Regelung von Drehzahl, Drehmoment, Position und anderen Charakteristiken zur Leistungssteigerung und Optimierung der Energieeffizienz. Elektromotoren sind für rund 45 % des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich und spielen eine zentrale Rolle in Traktionssystemen, industriellen Antrieben sowie in Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen im privaten und gewerblichen Bereich. Die Steuerung von Elektromotoren ist daher ein entscheidender Schwerpunkt in vielen Anwendungen.
Konventionelle Motorsteuerungsalgorithmen dienen als Grundlage für die Entwicklung von Algorithmen für die Elektromotor-Steuerung. Dazu zählen folgende:
- Skalare Steuerung: Diese Methode zur Elektromotor-Steuerung im offenen Regelkreis ist auch als Volt-pro-Hertz-Steuerung (V/f-Steuerung) bekannt und hält ein konstantes Spannungs-Frequenz-Verhältnis in Wechselstrommotoren zur grundlegenden Drehzahlregelung aufrecht.
- Feldorientierte Regelung (Field-Oriented Control, FOC): Diese Technik zur Motorsteuerung im geschlossenen Regelkreis nutzt die Vektorregelung mithilfe von Clarke- und Park-Transformationen, um die magnetischen und drehmomenterzeugenden Komponenten von Strömen in Wechselstrommotoren zu trennen und zu steuern. Hierdurch wird eine präzise Drehzahl- und Drehmomentregelung ermöglicht.
- Direkte Drehmomentregelung (Direct Torque Control, DTC): Diese Technik erlaubt es, das Drehmoment und den Fluss dynamisch anzupassen, ohne dass komplexe Transformationen nötig sind. Daher eignet sie sich gut für Anwendungen, die eine schnelle Drehmomentreaktion erfordern.
Entwicklung von Elektromotor-Regelungssystemen mit MATLAB und Simulink
Ingenieursteams nutzen MATLAB® und Simulink® zur Entwicklung von Regelungsalgorithmen für Motoren. Sie simulieren damit das Systemverhalten und optimieren die Leistung durch Echtzeittests, um die Eignung von Motorsteuerungsdesigns zu bestimmen sowie den Zeit- und Kostenaufwand für die Entwicklung von Algorithmen zu reduzieren, bevor kostspielige Hardwaretests durchgeführt werden.
Die Entwicklung von Motorsteuerungen umfasst verschiedene Aktivitäten: vom Entwurf von Motorregelungsalgorithmen bis hin zur Implementierung dieser Algorithmen auf einem Mikrocontroller oder FPGA.
Modellierung der Regelstrecke
Die Modellierung von Motoren und leistungselektronischen Komponenten ist eine anerkannte Ingenieurpraxis für die Entwicklung von Regelungssystemen für Elektromotoren. Simscape Electrical™ unterstützt mehrere Genauigkeitsstufen bei der Motorenmodellierung. So können Ingenieurteams mithilfe von Simulationen den geeigneten Detailgrad für verschiedene Anwendungen auswählen, z. B. für die Motorendimensionierung und die Konstruktion von Traktionsmotoren für Elektrofahrzeuge.
Algorithmen-Entwicklung
Der Entwurf und die Optimierung von Regelalgorithmen ermöglichen eine präzise Steuerung von Drehzahl, Drehmoment und Energieverbrauch in Elektromotoren. Motor Control Blockset bietet optimierte vorgefertigte Blöcke und Referenzbeispiele zur Beschleunigung der Entwicklung und Bereitstellung von Techniken zur sensorgestützten und sensorlosen Motorsteuerung.
Regleroptimierung
Um das gewünschte Systemverhalten zu erreichen, müssen die Reglerparameter optimiert werden. Simulink Control Design™ bietet Tools wie FOC Autotuner, PID-Autotuning und Frequenzgangschätzung, die eine effiziente Feinabstimmung und Leistungsoptimierung der Systemreaktion und -stabilität ermöglichen.
Codegenerierung
Die Codegenerierung wandelt verifizierte Regelungsalgorithmen in ausführbaren Code für die Bereitstellung auf Hardware um. Sie können Rapid Control Prototyping und Hardware-in-the-Loop-Simulationen (HIL) auf einem Echtzeit-Ziel verwenden, indem Sie C, C++ oder HDL-Code für Motorregelungsalgorithmen generieren, um Motorsteuerungen zu validieren. Embedded Coder® generiert optimierten C und C++ Code aus Simulink-Modellen, wobei Hardware-Support-Pakete eine automatische Bereitstellung für C2000, STM32, Infineon Aurix und andere MCUs vereinfachen. Für FPGAs und SoCs vereinfacht HDL Coder™ die Codegenerierung und -bereitstellung auf Geräten von Intel, Xilinx und Microchip.
Anwendungen für die Motorsteuerung
Referenzbeispiele mit Motor Control Blockset™ decken auch fortgeschrittene Strategien zur Motorsteuerung wie modellprädiktive Regelung, Regelung zur aktiven Störungsunterdrückung und Reinforcement Learning zur Beschleunigung Ihres Entwicklungsprozesses ab.
Modellprädiktive Regelung
Die modellprädiktive Regelung (MPC) verbessert die feldorientierte Regelung gegenüber der PID-Regelung durch eine effektive Verwaltung von Randbedingungen wie der Drehmomentsättigung und Spannungsgrenze und die gleichzeitige Optimierung der Regelungsziele unter Berücksichtigung der Kreuzkopplung zwischen Regelkreisen. Sie können die Leistung des MPC-Reglers evaluieren, indem Sie ihn mithilfe des Referenzbeispiels in einem geschlossenen Regelkreis mit der Motorregelstrecke in MATLAB oder Simulink simulieren.

Integration von modellprädiktiven Reglern in die feldorientierte Regelung zur Verbesserung der Motorsteuerung. (Siehe Dokumentation.)
Aktive Regelung zur Störungsunterdrückung
Zur Verbesserung der Robustheit des Systems können Sie mithilfe der aktiven Regelung zur Störungsunterdrückung (Active Disturbance Rejection Control, ADRC) Störungen ausgleichen und die Stabilität unter variablen Bedingungen sicherstellen. Während das PID-Tuning einen erheblichen Aufwand erfordert, bietet ADRC eine nichtlineare Regelungslösung, die bei einfacherer Einrichtung und geringerem Optimierungsaufwand eine gute Leistung erzielt. Der Active Disturbance Rejection Control-Block vereinfacht die Implementierung von ADRC und erleichtert Einsteigern die Anwendung der Technik.

Implementierung einer aktiven Regelung zur Störungsunterdrückung (ADRC) in Simulink Control Design zur Optimierung der Motorsteuerung. (Siehe Dokumentation.)
Reinforcement Learning
Das Reinforcement Learning bietet einen dynamischen Ansatz zur Regelung, indem es aus der Interaktion mit der Umgebung lernt. Damit stellt es eine leistungsfähige Alternative zu klassischen Regelungsverfahren wie PID dar – insbesondere dann, wenn Motoren und ihre Betriebsbedingungen nur schwer modellierbar sind. Trotz seines Potenzials erfordert Reinforcement Learning erhebliche Rechenressourcen und Trainingszeit. In Simulink erleichtert der Reinforcement-Learning-Agent-Block die Konfiguration eines Reinforcement Learning-Reglers für den feldorientierten Ansatz und ermöglicht Ingenieurteams die Nutzung dieser fortschrittlichen Technik.
Durch die Nutzung vorgefertigter Blöcke und Referenzbeispiele in Simulink können Ingenieurteams Regelungsstrategien und genaue Motormodelle entwickeln, um die Herausforderungen beim Aufbau von Motorsteuerungen effektiv zu bewältigen.
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Beispiele
Software-Referenz
Siehe auch: Motorantriebe und Traktionsmotoren, BLDC-Motorregelung, Drehzahlregelung für Induktionsmotoren, Raumzeiger-Modulation, Simulink Real-Time, Feldorientierter Ansatz